
Die Kraft der Kälte.
Kennst Du diese Anziehungskraft von etwas, das Du noch nie gemacht hast? Du kannst gar nicht wissen, ob es Dir gefällt, Du weißt nur, dass Du es probieren möchtest. Nach mir hat schon lange das eiskalte Wasser gerufen. Vor zwei Jahren bin ich dem Ruf endlich gefolgt.
Schon als Kind faszinierten mich diese Menschen, die zu Neujahr auf dem Titelblatt unserer Lokalzeitung abgebildet waren: Mittelalte Frauen und Männer in Badekleidung, manche mit Wollmützen auf dem Kopf, rote Gesichter, saugute Laune. Sie schwammen mitten im Winter in einem Fluss oder See, drumrum die verschneite Landschaft.
Es ist nicht so, dass ich konstant ans Eisbaden gedacht habe. Eher so, dass diese Idee alle paar Jahre meinen Weg kreuzte. Und jedes Mal horchte ich auf, spürte ein Kribbeln. Mal traf ich jemanden, der diese Erfahrung schon gemacht hatte. Ein anderes Mal stolperte ich über einen Zeitungsartikel: Er handelte von zwei „verrückten“ älteren Damen, die das ganze Jahr über im gleichen Fluss badeten – geschrieben von einem kopfschüttelnden Redakteur. Und so weiter. Noch heute, mit 31 Jahren, erinnere ich mich an die Momente, in denen das Eisbaden kurz in meiner Welt auftauchte und dann wieder verschwand.
Denk doch mal zurück. Was hat in Dir schon öfter diese Anziehung ausgelöst? Bist Du der Spur gefolgt? Falls ja, wie war es? Falls nicht, warum eigentlich nicht? Probier‘ es doch einfach. Du hast nichts zu verlieren und so viel zu gewinnen.
Ich kann natürlich wie immer nur für mich sprechen, aber ich bin unglaublich froh, dass ich ins kalte Wasser gestiegen bin.
Mein erstes Eisbad
Ein Witz, den ich damals am Telefon mit meiner Freundin machte: Wenn ihr zu Besuch kommt, gehen wir Eisbaden. Wir wandern und dann springen wir noch in den See. Wie im Sommer. So richtig als Witz meinte ich das aber gar nicht, merkte ich. Ich hatte Lust, es wirklich auszuprobieren. Bringt eure Badesachen mit, sagte ich schließlich. Keine Ahnung wie ich es geschafft habe, aber bis zum Besuch hatte ich fast alle überredet.
Schon beim Wandern finden wir es kalt. Ich bin selbst ein bisschen überrascht, als wir danach tatsächlich an den See fahren. Wir laufen über den gefrorenen Steg nach vorne bis zur Leiter, über die man im Sommer ins Wasser steigt. Unsere Atemluft bildet kleine Wölkchen. Mein Mann hackt mit seinem Wanderschuh die Eisdecke auf.
Wir sind aufgeregt, unsere Stimmen kreischig. Mitten in einem Abenteuer, das wir uns selbst ausgesucht haben, das total unnötig ist und genau deswegen so gut. Ich ziehe mich extra schnell aus, damit keine Zeit mehr zum Nachdenken bleibt.
Dann steige ich die eiskalte Leiter hinunter. An den Füßen schmerzt es schon. Ich spüre, wie sich meine Gefäße zusammenziehen. Jetzt also den ganzen Körper eintauchen… Das Wasser ist so kalt, dass mein Gehirn überhaupt nicht mehr versteht, dass das, was ich auf der Haut spüre, Kälte ist. Es ist einfach nur ein extremes Gefühl. Und irgendwie angenehm. Ich nehme tiefe Atemzüge und merke, wie ruhig ich bin.
Als ich wieder auf den Steg klettere, liegt mein Handtuch bereit; meine Jogginghose zum gleich Reinschlüpfen, der Pullover zum sofort Drüberziehen. Doch mir ist überhaupt nicht kalt. Ich stehe da und schaue auf den winterlichen See. Im Sommer ist hier immer viel los: Gummitiere, Fußbälle, Grills, das ganze Programm. Jetzt ist es still. Ein paar Schneeflocken schweben durch die Luft.
Obwohl mir der nasse Eiswasser-Bikini auf der Haut klebt, wird mein Körper von Wärme geflutet. Dazu das Hochgefühl, es geschafft zu haben; die Kälte überwunden zu haben. Es kommt mir vor als würde ich lange so auf dem Steg stehen. Dabei sind es vielleicht 30 Sekunden. Dann meldet sich die Vernunft. Anziehen. Lachend rennen wir zum Auto, schlagen schnell alle Türen zu und trinken warmen Tee.

Nachdem sich die Freunde verabschiedet haben, gehe ich joggen. Schneller als sonst. Ich bin voller Tatendrang. Meine Laune ist so gut, dass ich zwischendurch kleine Hüpfer einbaue. Woher kommt nur all die Energie? Ob es etwas mit dem Eisbad zu tun hat?
– Vermutlich ja.
Zuhause recherchiere ich zur heilsamen Wirkung des Eisbadens. Immunsystem, Herz-Kreislauf, Psyche, Schmerzreduktion… die Liste ist lang. Schön, die wissenschaftliche Bestätigung zu haben. Das Besondere ist für mich aber, dass ich nicht aus medizinischen Zwecken zum See gefahren bin, sondern einfach, weil ich Lust darauf hatte. So konnte ich die Kraft der Kälte selbst entdecken.
Du kannst das auch
Seit diesem ersten Eisbad ist Kälteexposition ein fester Bestandteil meines Alltags. Ich dusche kalt, steige in kaltes Wasser, ins Meer und in Seen zu jeder Jahreszeit. Und ich bin nicht hart drauf. Du schaffst das ganz genauso.
Was du dafür brauchst?[1]
- Offenheit für die Erfahrung.
- Commitment.
- Eine Begleitung.
- Eine Gelegenheit (die findest Du sofort, wenn Du willst).
[1] Gesundheitliche Voraussetzungen solltest Du besser mit Deinem Hausarzt abklären. Es gibt vermutlich Fälle, in denen ein Eisbad nicht das Richtige ist. So viele sind das aber glaube ich nicht.
Das Eisbaden ist für alle da. Du musst kein Leistungssportler sein, kein Meditationsprofi und Du musst auch nicht schon als Kind im kanadischen Winter dafür trainiert haben. Du kannst es einfach so.
Vor einigen Jahren habe ich einen eigentlich total banalen Satz verinnerlicht. Er hat mich durch herausfordernde Situationen getragen und meine Komfortzone erweitert:
Wenn andere Menschen etwas einfach so können, dann kann ich das auch.
Damit meine ich nicht so einen Quatsch wie untrainiert einen Marathon zu laufen. Das schaffen die Wenigsten. Ich meine alles, wofür keine besonderen Fähigkeiten oder körperliche Voraussetzungen nötig sind, sondern vor allem eine einfach-machen-Einstellung.
Wir können so viele (scheinbar) schwere Dinge tun. Und genau daran erinnert mich das Eisbad jedes Mal. Es scheint unmöglich, in eine Tonne voller Eiswürfel zu steigen und zwei Minuten drin zu bleiben. Es ist aber möglich.
(Man sieht eventuell bescheuert dabei aus – nach Überwindung und Glück gleichzeitig eben.)

Überwindung. Aber eben nur noch eine kurze, denn ich weiß, mein Körper kann das und es tut mir gut.
So könntest Du die Kälte kennen lernen
Du musst nicht sofort in einem winterlichen See baden. Ein sanfterer Einstieg wäre zum Beispiel, die Dusche am Ende ganz kurz auf kalt zu stellen und die Sekunden unter dem kalten Wasser behutsam zu steigern, bis du irgendwann bei zwei Minuten angekommen bist. Ab zwei Minuten können sich die positiven Effekte der Kälte auf den Organismus voll entfalten, habe ich bei einem Seminar zu diesem Thema gelernt.
Es gibt nämlich Seminare dafür. Und das wäre meine zweite Idee, wie Du Dich der Kälte annähern kannst – geführt und gut betreut. Ich habe diesen Herbst an einem Seminar zur Wim-Hof-Methode bei Sukkhadas teilgenommen und fand es super. Neben der Kälteexposition und der Theorie dazu geht es auch um eine spezielle Atemtechnik und um Meditation.
Es gibt auch ein tolles Buch von Wim Hof (*) zu diesen Themen. Ich kann es allen empfehlen, die sich fragen, was es mit diesem Eisbaden auf sich hat, wie es mit der Forschung zu den gesundheitlichen Effekten aussieht und allen, die gerne faszinierende Lebensgeschichten lesen.
Eisbaden kann depressive Verstimmungen lindern
In diesem Blog geht es ja um mentale Gesundheit. Und genau dafür ist Eisbaden wunderbar. Es ersetzt keine Therapie, wirkt aber stimmungsaufhellend. Wenn ich als Überbleibsel des Burnouts ab und zu einen depressiven Tag erlebte, nahm ich ein kaltes Bad. Es holte mich aus Grübeleien und Gedankenschleifen ins Hier und Jetzt. Ich atmete langsam und bewusst… Entspannte mich in die Kälte hinein… Ich konnte spüren, wie sich die dunkle Wolke zurückzog.
Zum Glück habe ich inzwischen schon lange keine depressive Episode erlebt. Falls aber mal wieder eine kommen sollte, werde ich definitiv täglich ins Eis gehen. Ich kann mir gut vorstellen, was für Widerstände die Vorstellung von einem Eisbad im ersten Moment bei Dir hervorruft. Trotzdem kann ich es Dir aus ganzem Herzen empfehlen.
Und um den Bogen zurück zum Anfang des Artikels zu spannen: Welchen Ruf hast Du bislang gehört, ohne ihm zu folgen? Was ist Dein “Eisbaden“?
* Bei dem mit (*) gekennzeichnetem Link zum Buch handelt es sich um einen sogenannten Affiliate Link. Wenn/ falls Du das Buch über diesen Link kaufst, erhalte ich eine kleine Provision. Dir entstehen dadurch keine Nachteile. Der Preis bleibt gleich.
Warum habe ich heute meinen ersten Werbelink gesetzt? Weil ich als Selbstständige auch für meine Finanzen komplett selbst verantwortlich bin. Ich liebe dieses Blogprojekt, doch es fließen unzählige Stunden Arbeit in die Artikel, die Betreuung der Website, die technische Betreuung etc. Während ich an meinem Blog arbeite, arbeite ich also für niemand anderen und verdiene kein Geld, um meine Krankenversicherung oder meinen nächsten Essenseinkauf zu bezahlen. Aktuell ist dieser Blog sogar ein Verlustgeschäft, weil ich laufende Kosten für das Hosting etc. habe.
In den nächsten Monaten möchte ich dahin kommen, dass ich mit diesem Projekt kein Minus mehr mache und zumindest ein kleines Taschengeld dabei für mich über bleibt. Es wird also zukünftig ab und an mal einen Werbelink und Ähnliches geben. Ich bin mir sicher, Du verstehst das. Ich empfehle etwas nur, wenn ich davon absolut überzeugt bin.